Vorzugsaktien – auch für KMU
ChemChina hat das Schweizer Agrochemieunternehmen Syngenta für 44 Mrd. US-Dollar übernommen. Zur Finanzierung dieses Kaufpreises hat die ChemChina die Herausgabe von Vorzugsaktien bei einer Tochtergesellschaft geplant. Die Ausgabe von Vorzugsaktien macht jedoch nicht nur in Grosskonzernen Sinn. Auch im KMU-Sektor können Vorzugsaktien vielseitig eingesetzt werden. Doch wann macht der Einsatz von Vorzugsaktien Sinn? Wie können Vorzugsaktien ausgestaltet werden? Was muss zusätzlich noch beachtet werden? Der vorliegende Artikel soll diese Fragen mit Blick auf KMU beantworten.
Vorzugsaktien räumen einem bestimmten Aktionärskreis ein Vorrecht ein. Dieses Vorrecht ist in der Regel finanzieller Natur und bezieht sich auf die Dividende, den Liquidationsanteil oder das Bezugsrecht. Die Grundlagen zur Handhabung von Vorzugsaktien sind in den Artikeln 654 und 656 des Obligationenrechtes geregelt.
Vorzugsaktien können sowohl als Namens- als auch als Inhaberaktien ausgestaltet werden. So hat ein Vorzugsaktionär auch dieselben Rechte und Pflichten wie ein «normaler» Aktionär (unter einem «normalen» Aktionär verstehen wir einen Aktionär, der nicht Vorzugsaktien besitzt). Abzugrenzen sind Vorzugsaktien von Stimmrechtsaktien, welche dem Aktionär eine stimmenmässige Vorrechtsstellung zusprechen, jedoch nicht eine finanzielle. In der Schweiz können Vorzugsaktien mit Stimmrechtsaktien kombiniert werden, was zu einer Aktionärsgruppe mit viel Macht führen kann.
Ausgestaltungsmöglichkeiten
In der Praxis bestehen verschiedene Ausgestaltungsmöglichkeiten von Vorzugsaktien. Die konkrete Anwendung hängt von der jeweiligen Situation im Unternehmen ab. Die Vorzugsaktionäre werden gegenüber den normalen Aktionären privilegiert behandelt, beispielsweise in der Ausschüttung von Dividenden. Diese Privilegierung kann auf zwei Möglichkeiten erfolgen:
- Vorwegentschädigung der Vorzugsaktionäre gegenüber den normalen Aktionären
- Vorzugsaktionäre erhalten generell einen grösseren Anteil an der Dividende als die normalen Aktionäre
Bei der ersten Möglichkeit werden die Vorzugsaktionäre zuerst bedient, bevor der darüber liegende Teil unter allen Aktionären aufgeteilt wird. Wird beispielsweise eine Dividende über CHF 120 000 beschlossen und die Vorzugsaktionäre haben ein Anrecht auf eine Dividende von CHF 100 000, so werden zuerst die CHF 100 000 an die Vorzugsaktionäre ausgeschüttet.
Die restlichen CHF 20 000 werden auf alle Aktionäre aufgeteilt.
Bei der zweiten Möglichkeit erhalten die Vorzugsaktionäre beispielsweise jeweils ein Mehrfaches der Dividende im Vergleich zu den normalen Aktionären. Wird wiederum eine Dividende von CHF 120 000 ausgeschüttet und die Vorzugsaktionäre haben Anspruch auf eine doppelte Dividendenentschädigung im Vergleich zu den normalen Aktionären, so werden CHF 80 000 an die Vorzugsaktionäre geschüttet und CHF 40 000 an die normalen Aktionäre. Die konkrete Ausgestaltung hängt im Wesentlichen von der konkreten Situation des Unternehmens, sowie von den Bedürfnissen der einzelnen Anspruchsgruppen ab. Vorzugsaktien bieten eine Möglichkeit, auf die Interessen der verschiedenen Anspruchsgruppen Rücksicht zu nehmen und eine gewollte asymmetrische Gewinnverteilung herbeizuführen. Eine verbindliche Regelung der Ausgestaltung hat in den Statuten zu erfolgen.
In allen Fällen gilt jedoch zu beachten, dass ein Gewinn nur ausgeschüttet werden darf, wenn auch tatsächlich ein Gewinn aus den Vorjahren besteht oder ein solcher im Geschäftsjahr erwirtschaftet wurde. Diesbezüglich sind die handelsrechtlichen Vorschriften über die Gewinnverwendung gemäss Obligationenrecht zu beachten. Besteht kein frei ausschüttbares Kapital, so darf auch keine Dividende beschlossen werden. Eine Garantie für die Auszahlung einer Dividende an Vorzugsaktionäre ist somit nicht möglich.
Anwendungsmöglichkeiten
Die Anwendungsmöglichkeiten für einen Einsatz von Vorzugsaktien sind vielfältig und hängen von verschiedenen Einflussfaktoren ab. Im Folgenden werden drei Beispiele umschrieben, in welchen ein Einsatz von Vorzugsaktien sinnvoll sein kann.
Nachfolgeregelung
Eine Unternehmung hat seit einigen Jahren im Rahmen einer anstehenden Nachfolge, den leitenden Mitarbeitern regelmässig Mitarbeiterbeteiligungen angeboten, welche diese auch in Anspruch genommen haben. Im Rahmen der Pensionierung des Hauptaktionärs übernimmt ein leitender Mitarbeiter dessen Aktienanteil. Diesem leitenden Mitarbeiter ist es jedoch gegenwärtig nicht möglich, den Kaufpreis vollständig zu begleichen. Aus diesem Grund könnten Vorzugsaktien generiert werden, welche dem neuen Hauptaktionär eine stärkere finanzielle Entschädigung zusichern, damit die durch den Kauf der Aktien entstandene Schuld sukzessive zurückgeführt werden kann.
Im beschriebenen Fall würden die Vorzugsaktien so ausgestaltet werden, dass der neue Hauptaktionär jeweils vor den übrigen Aktionären bedient wird. Allfällige steuerliche Fragestellungen oder Stolpersteine müssten im in diesem Fall im Detail analysiert werden.
Abgeltung von Gründeraufwendungen
Im Rahmen der Gründung eines neuen Unternehmens werden durch die Gründer viel Geld, Engagement und Herzblut über eine längere Zeit investiert. Mit fortschreitender Tätigkeit arbeitet das Unternehmen erfolgreich und mit dem Bedürfnis nach zusätzlichem Kapital wird der Kreis der Aktionäre erweitert. Um die Aufwendungen in der Gründerphase zu entschädigen, werden Vorzugsaktien herausgegeben. Bei der künftigen Dividendenauszahlung werden die Gründer mittels höheren Dividendenzahlungen aufgrund von ausgegebenen Vorzugsaktien für ihren Initialaufwand entschädigt.
Vorzugsaktien bei einer Sanierung
Eine Unternehmung verfügt über finanzielle Schwierigkeiten (Liquiditätsprobleme, Überschuldung usw.) und muss saniert werden. In der Regel gestaltet sich die Suche nach neuen Geldgebern in dieser Situation relativ schwierig. Durch die Einführung von Vorzugsaktien besteht nun die Möglichkeit, neue Geldgeber mittels Vorzugsaktien für ihr erhöhtes Risiko besonders zu entschädigen. Bei der Ausschüttung von künftigen Dividenden würden dann die neuen Geldgeber privilegiert entschädigt werden.
Was muss beachtet werden?
Die Einführung von Vorzugsaktien kann bei der Gründung erfolgen oder zu jedem späteren Zeitpunkt. Bei einer späteren Einführung ist auf jeden Fall zu beachten, dass die Einführung von Vorzugsaktien im Interesse der Aktiengesellschaft zu erfolgen hat. Nicht zulässig ist eine ungerechtfertigte Diskriminierung der anderen Aktionäre aufgrund der Einführung von Vorzugsaktien. Wandelt beispielsweise ein Hauptaktionär ohne ersichtlichen Grund seine Aktien in Vorzugsaktien um, ist dies nicht zulässig.
Damit Vorzugsaktien herausgegeben werden können, muss dies in den Statuten verankert werden. Auf Basis der Statuten beschliesst die Generalversammlung die Herausgabe von Vorzugsaktien. Dies kann mittels Kapitalerhöhung oder Umwandlung von bestehenden Aktien geschehen. Zudem wird das Vorhandensein von Vorzugsaktien im Handelsregister eingetragen. Es empfiehlt sich diesen Prozess frühzeitig zu planen und – falls nötig – die erforderliche Unterstützung beizuziehen. Eine Vorabklärung mit dem zuständigen Handelsregisteramt kann Missverständnisse beseitigen und den Prozess beschleunigen.
Wir empfehlen unseren Kunden in Zusammenhang mit Vorzugsaktien, einen Aktionärsbindungsvertrag zu erstellen. Mittels Aktionärsbindungsvertrag werden das Verhältnis zwischen den Aktionären untereinander und das Verhältnis zwischen den Aktionären und der Gesellschaft geregelt. Die Verhältnisse werden konkretisiert sowie klar und verbindlich geregelt. Bei aussergewöhnlichen Ereignissen besteht ein verbindliches Dokument, auf welches zurückgegriffen werden kann. Bei der Einführung von Vorzugsaktien ist die Erstellung eines Aktionärsbindungsvertrags sinnvoll oder falls bereits ein solches Dokument besteht, ist dieses zu aktualisieren.
Das Instrument der Vorzugsaktien lässt sich vielseitig einsetzen und kann als Lösung von verschiedenen Problemen im KMU-Umfeld herangezogen werden, insbesondere kann es dazu dienen Aktionäre aus welchen Gründen auch immer differenziert mit Gewinnanteilen zu beteiligen. Durch die finanzielle Bevorzugung einer bestimmten Aktionärsgruppe können finanzielle Anreize geschaffen werden. Die genaue Einführung hängt jedoch von der konkreten Situation des Unternehmens und von den Bedürfnissen und Ansprüchen der jeweiligen Aktionärsgruppen ab.
Haben Sie eine innovative Geschäftsidee, die Sie gerne umsetzen möchten? Die Experten von STARTUPS.CH stehen Ihnen gerne zur Verfügung und begleiten Sie in berufliche Selbständigkeit.
» Treuhand marugg + imsand» Online Gründen