Steigendes Inflationsrisiko verunsichert die Finanzmärkte
Die stärkere Nachfrage nach Gütern in der Pandemie hat die Inflationsraten in die Höhe getrieben. Befürchtungen vor einer Überhitzung der Wirtschaft werden durch eine expansive Geld- und Fiskalpolitik angetrieben. Im Gegensatz zu den USA bleibt das Inflationsrisiko in der Schweiz und in der Eurozone jedoch gering.
Höchster Anstieg der Inflationsraten seit Finanzkrise
Seit Ende der globalen Finanzkrise stagnieren die Inflationsraten auf tiefem Niveau. Die derzeitige Beschleunigung der Konsumentenpreisinflation erregt deshalb die Aufmerksamkeit der Märkte. In erster Linie sind dafür die gestiegenen Rohstoffpreise, insbesondere für Rohöl, verantwortlich. Dadurch könnte der Eindruck entstehen, dass die Inflationsraten der einzelnen Länder miteinander korrelieren. Werden jedoch nur die Kerninflationsraten ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise betrachtet, zeigt sich kaum eine Wechselwirkung zwischen den grössten Volkswirtschaften USA, Eurozone und Japan. Die Dynamik der Verbraucherpreise scheint daher vor allem von binnenwirtschaftlichen Faktoren abzuhängen.
Anstieg der Geldmenge hat geringen Einfluss auf Inflationsraten
Für die Treiber der aktuellen Inflationsraten gibt es zwei gängige Erklärungsansätze: Der erste beruht auf der Annahme, dass die Preise immer dann steigen, wenn die Geldmenge schneller zunimmt als die Menge der von einer Volkswirtschaft produzierten Waren und Dienstleistungen.
Der derzeitige, expansive geld- und fiskalpolitische Mix hat tatsächlich zu einem Anstieg der Geldmenge geführt. Die Sorgen vor einem Anstieg der Inflation sind jedoch weitgehend unbegründet. Das Verhältnis zwischen Geldmengenwachstum und Inflation hat sich sowohl in den fortgeschrittenen als auch in den aufstrebenden Volkswirtschaften in den letzten Jahren erheblich abgeschwächt. Eine mögliche Ursache hierfür ist der Rückgang der Geldumlaufgeschwindigkeit. Aufgrund der niedrigen Zinssätze wurde die Rendite auf Bargeld attraktiver, was Unternehmen und Haushalte dazu bewegt, Cash eher zu halten.
Nachfrage nach Gütern in der Pandemie ist gestiegen
Der zweite Erklärungsansatz für die steigende Inflation beruht auf dem aktuellen Zustand der Wirtschaft. Läuft die Wirtschaft gut – man spricht auch von einer «hot economy» – und ist die Arbeitslosigkeit niedrig, führt die höhere Kapazitätsauslastung zu höheren Löhnen und somit zu steigenden Preisen. Infolgedessen steigt auch die Nachfrage, weil die Konsumenten in Erwartung höherer Preise geplante Anschaffungen vorverlegen. Es zeigt sich, dass dies bislang jedoch nur teilweise der Fall war. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften liegen die totalen Verbraucherausgaben, die sowohl Ausgaben für Dienstleistungen als auch Güter umfassen, aufgrund der Pandemie-Massnahmen tendenziell noch unter dem Vorkrisentrend.
Betrachtet man nur die Güternachfrage, zeigt sich hingegen, dass Letztere stark zugenommen hat. Das Geld, das die Haushalte während der Pandemie-Massnahmen für Dienstleistungen einsparten, investierten sie stattdessen in Möbel, elektronische Geräte oder Sportausrüstung. Die daraus resultierenden steigenden Warenpreise sind der Haupttreiber der Inflation.
Das Risiko einer Inflation ist in den USA höher
Es ist davon auszugehen, dass sich die Situation in der Schweiz und in der Eurozone normalisieren wird. Da es immer weniger Pandemie-Beschränkungen gibt, wird der Verbrauch von Dienstleistungen zunehmen, während sich die Nachfrage nach Gütern abschwächt. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass der Dienstleistungskonsum den Vorkrisentrend massiv überschreitet. Einerseits werden nicht alle während der Pandemie verpassten Dienstleistungen wie Restaurantbesuche in vollem Umfang kompensiert. Auf der anderen Seite verfügen die Haushalte immer noch über etwas weniger Einkommen als vor der Krise.
Anders verhält es sich in den USA. In den Staaten liegt das verfügbare Einkommen der Haushalte aufgrund der umfangreichen fiskalischen Transfers deutlich höher als vor der Krise. Die persönlichen Ausgaben dürften daher in den USA noch einige Zeit über dem Vorkrisentrend liegen. Aus diesem Grund ist das Risiko für eine anhaltend höhere Inflation in den USA deutlich grösser als in der Eurozone und der Schweiz.
Ein Ausstieg aus der Negativzinspolitik dürfte in der Eurozone und in der Schweiz daher in weiter Ferne liegen. Das Inflationsrisiko ist zu gering, um den Druck auf die Zentralbanken zu erhöhen, die Leitzinssätze zu anzuheben.
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