Interview mit Lawrence Rajendran CEO von ScienceMatters
Die besten wissenschaftlichen Zeitschriften (sog. Journals) sind in der Fachwelt äusserst begehrt. Wissenschaftler wollen um jeden Preis ihre Forschungsresultate in einem Top-Journal veröffentlichen. Die Journals haben daher freie Hand bei der Auswahl der Artikel, die sie publizieren. Viele gute Beobachtungen werden deshalb nie publiziert und sind verloren. ScienceMatters will dies ändern. Erfahren Sie im Interview mit dem CEO Lawrence Rajendran was ihn am momentanen System stört und wie er es umkrempeln will.
(Im Bild sind v.l.n.r. zu sehen: Lawrence Rajendran der CEO von ScienceMatters, Prof. John Ioannidis von der Stanford University und Prof. Tom Südhof von der Stanford University, beide sind im Scientific Advisory Board von ScienceMatters)
Beschreibe bitte kurz Dich selber und Dein Start-Up.
Mein Name ist Lawrence Rajendran und mein Start-Up heisst ScienceMatters. Ursprünglich komme ich aus dem Süden von Indien und habe dort auch studiert. Danach zog es mich nach Israel, um weiter zu studieren. In Deutschland forschte ich dann als Doktorand und schliesslich kam ich in die Schweiz an die Universität Zürich.
Beschreibe die Idee von ScienceMatters in 1-3 Sätzen
ScienceMatters ist eine Art Instagram für Wissenschaftler, um ihre Forschungsergebnisse zu veröffentlichen und zu teilen. Auf Instagram kann man alles veröffentlichen, auf ScienceMatters geht das nicht, weil wir unser dreifaches Qualitätssicherungsverfahren auf jedes publizierte Forschungsergebnis anwenden.
Seit wann gibt es ScienceMatters?
Die Kernidee mit ScienceMatters hatte ich vor rund 7 Jahren, als ich von Deutschland in die Schweiz gekommen bin. Es war eine sehr anstrengende Zeit, aber ich interessierte mich nebenbei immer für das Thema Wissenschaft und Ethik. Damals stellte ich fest, dass das momentane System von wissenschaftlichen Publikationen der Wissenschaft selber schadet. Forscher müssen mit ihren Ergebnissen eine Geschichte erzählen und einen konkreten Anwendungsfall präsentieren. Also die Entdeckung eines neuen Bakteriums ist in den Augen der Verlage wertlos, wenn man nicht zeigen kann, dass man damit ein neues Antibiotikum herstellen kann.
Die bisherigen Journals funktionieren doch gut, es werden viele Artikel publiziert und zwischen den verschiedenen Journals herrscht ein strenger Wettbewerb?
Wissenschaftliche Journals funktionieren nicht sehr gut: Sie machen im Prinzip Reiche noch reicher auf Kosten der Armen. Das funktioniert so, weil die Forschung an Universitäten hauptsächlich mit Steuergeldern finanziert wird. Diese Forschungsresultate werden von Wissenschaftlern gratis in Journals veröffentlicht. Die Universitätsbibliotheken bezahlen dann die Journals, damit die Studenten und Wissenschaftler unbeschränkten Zugang zu den Artikeln haben. Konkret bezahlen Schweizer Universitäten zwischen 3,6 und 3,8 Mio. Franken für den Zugang zu einem einzigen Journal-Verlag. Das System ist wie der berühmte Goldesel, Wissenschaftler produzieren immer wieder kostenlose Forschungsergebnisse, welche die Journals teuer weiterverkaufen. Diese Ungerechtigkeit wollen wir mit ScienceMatters beseitigen und das System öffnen für jedermann, der seine Forschung veröffentlichen will.
„ScienceMatters funktioniert im Prinzip wie Lego für Wissenschaftler.“ – Was meinst du mit dieser Aussage?
Lego gibt dir einzelne Bausteine vor, die du frei kombinieren kannst. Journals funktionieren so, dass man bereits ganze Lego-Schlösser aufgebaut haben muss. Man muss bereits eine Geschichte erzählen mit den Forschungsergebnissen, ansonsten kommt man nicht rein. Bei ScienceMatters lassen wir einzelne wissenschaftliche Beobachtungen zu und publizieren diese auf unserer Webseite. Jeder andere Wissenschaftler kann nun eine weitere Beobachtung anhängen. So entsteht Block für Block eine Struktur, die von jedem erweitert werden kann. Dadurch entsteht ein Netz aus wissenschaftlichen Beobachtungen, das schliesslich in einem Internet of Science mündet. Jede Beobachtung ist dabei dreifach überprüft worden und verhindert, dass man auf unseriösen Ergebnissen aufbaut.
Wer wird seine Forschungsresultate bei ScienceMatters veröffentlichen? Wer ist eure Zielgruppe?
Im Moment konzentrieren wir uns auf die rund 10 Mio. Wissenschaftler und Forscher auf der Erde. Nur 1% aller Forscher publizieren mehr als einen Wissenschaftsbeitrag pro Jahr. Wenn sie in einem Open-Access Journal publizieren kostet das zwischen 1‘500 und 2‘000 USD. Das wollen wir verändern. Alle sollen publizieren können und wir verlangen einen Preis von 150 USD. Dabei gehen 75 USD an die Reviewers, weil wir eine hohe Qualität möchten.
Wie verdient man mit dem Open Access Konzept Geld?
Im Moment bezahlt der Autor 150 Dollar. Wir fragen zusätzlich die Bibliotheken, ob sie unsere Infrastruktur unterstützen. Wir konnten bereits die Universität Zürich gewinnen und fragen nun weitere an. Langfristig soll aber die Finanzierung nur von den Förderprogrammen wie z.B. dem Nationalfonds und den Universitäten kommen. Die Autoren sollen nicht bezahlen.
Wie sieht euer Marketingkonzept aus?
Zurzeit haben wir noch ein kleines Marketing. Wir bedienen nur Facebook und Twitter und natürlich unsere Webseite. Das Marketing wollen wir aber gerade stark ausbauen und suchen deshalb noch gute Fachleute im Online-Marketing.
Gibt es Takeaways aus der Gründungsphase von ScienceMatters, die du gerne teilen möchtest?
Das Schwierigste ist sicherzustellen, dass das Start-Up langfristig überlebt. Dabei sind die Probleme, die man überwinden muss, immer gleich, egal ob man bereits ein Professor ist, oder ein Student, der in der Garage mit tüfteln beginnt. Man muss die Zielgruppe davon überzeugen, dass das eigene Produkt einen Nutzen stiftet.
Man braucht zwei zentrale Fähigkeiten, um eine Idee in ein Start-Up zu verwandeln: Erstens braucht es eine Startfinanzierung. Das ist aber das kleinste Problem, weil es überwindbar ist und man es selber anpacken kann. Schwieriger ist es das Mindset der Kunden zu ändern. Dabei muss man andere Leute überzeugen, dass sie von ihren Gewohnheiten wegkommen und das neue Produkt wählen.
Welche Tools/Plattformen kannst du für den Aufbau empfehlen?
Am meisten hat mir eigentlich mein Netzwerk geholfen. Über dieses Netzwerk konnte ich die richtigen Partner für die Umsetzung finden, kam auf neue Ideen und fand eine Umgebung, um das Start-Up aufzubauen.
Welchen Hindernissen bist du begegnet?
Das grösste Hindernis war einen guten Entwickler für die Webseite zu finden. Zuerst habe ich natürlich in Indien geschaut, aber dort wurde ich von den angeschriebenen Firmen abgewiesen, weil ich keinen Mindestumsatz von USD 1 Mio. generierte.
Die Partner müssen von der Businessidee überzogen sein. Ich hatte Glück, dass ich Jonny getroffen habe. Er hat viel von unserer Webseite programmiert und hat immer wieder super Ideen.
Welches Zitat möchtest Du anderen mit auf den Weg geben?
„You should respect people, but not fear them.“ Das ist kein wirkliches Zitat, sondern mehr eine Art Lebensweisheit, die mich täglich begleitet und mir hilft. Sobald man nämlich beginnt sich nicht zu fürchten, wird man um einiges entspannter und spricht auch mit Leuten. Man fragt sich dann nicht mehr, ob es einem schadet oder nützt.
Wie geht es bei Euch weiter?
Unsere Vision ist es zu expandieren und das System der wissenschaftlichen Publikationen nachhaltig zu ändern. Dazu müssen wir die Einstellung zum bisherigen Journalsystem ändern.
Das zweite Ziel ist es unsere Plattform zu verbessern, damit es sehr einfach ist, die eigenen Forschungsergebnisse zu publizieren. Das letzte Ziel ist die Errichtung eines Internet of Science.
